Donnerstag, 28. Mai 2009

"Große Sprünge - nix im Beutel"

Wem der staubige Geruch des Tatorts Schiffe versenken noch in der Nase ist, dem könnte der Klassiker Duisburg-Ruhrort (1981) ein Gegenmittel sein. Auch dieser Fall nimmt seinen Anfang mit dem Fund eines Toten, dem Binnenschiffer Heinz Petschek, im Hafen Duisburg-Ruhrort. Ganz anders aber, als im Falle Radek Jankowskis, bleibt das Profil des Toten nicht im Dunklen, sondern wird scheibchenweise enthüllt.


Petschek liebte zu Lebzeiten, neben Arbeit, Kneipen und Frauen, die Lektüre von Trotzki, Stirner und Luxemburg. Als guter Zuhörer ward er - fast - überall gerne gesehen, nicht zuletzt in den Betten sich vorsichtig emanzipierender Arbeiterfrauen. Türkische Migranten konnten sich, bei der Selbstorganisation ihrer Gewerkschaft, auf die Hilfe des smarten Tausendsassas verlassen. Nur die Ehemänner seiner weiblichen Bekanntschaften mochten Petschek nicht gut leiden.

Im Mordfall Peschek ermittelt erstmals ein Horst Schimanski
Der Regisseur Hajo Gies hielt mit Schimanski, einen versoffenen Proleten aus Duisburg, dem deutschen Idealtypen des kleinbürgerlichen Fernsehkommissars entgegen. In keiner Götz George Rückschau bleibt die erste Szene aus Duisburg-Ruhrort unbesprochen, als der Schimanski zum Song "Leader of the Pack" zwei rohe Frühstücks-Eier trinkt, bevor der Hautkommissar, mit Tüten voller Bierflaschen belanden, auf die Strasse tritt. "Das scheiss Fernsehen taugt sowieso nix!", schallt es aus dem vierten Stock und - BUMMS - fällt dem Schimanski ein Fernseher vor die Füsse. Darf ich Sie vorstellen? Herr Schimanski, das ist Duisburg. Duisburg, das ist Herr Schimanski. Ach, Sie kennen sich schon?

Der Prolet und sein Hirn
Durch die triste Darstellung des Ruhrpotts bricht Duisburg-Ruhrort mit dem Wohlstandspatriotismus der 70er Jahre. Schimanski verkörpert darin die Positivfolie eines harten Machos (aufbrausend, körperbetont, bildungsfeindlich). Durchbrochen wird das Harte-Schale-Weicher-Kern Klischee nur durch seine Verwirrtheit und der Kunst des Drehbuchautors, den Schimanski auf der Seite der Moral zu positionieren. "Mensch, Mensch, das kannst Du doch nicht machen, Mensch!". Sein Gegenstück ist Hauptkommissar Thanner - eine clevere Autorität (berechnend, elegant, intellektuell). Gemeinsam bilden sie etwas in sich mehrfach zerrissenes - ein Spiegelbild ihrer Verhältnisse.

Alles immer anders
Schimanski lässt sich, wie sollte es anders sein, im Fall Petschek von seiner Intuition leiten. Wer schuldig ist bestimmt sein proletarisches Bauchgefühl. Nachdem er mit Frau Poppinga bei einer Dose Tuborg geflirtet und einen türkischen Mafiosi im Waschsalon verprügelt hat, mit der Barfrau eine Nacht verbracht und einen Punk von der Theke weg gegrinst, findet Schimanski den Mörder. Aber es ist nicht der Mörder von Petschek. Der Mörder Petscheks stellt sich zuletzt aus freien Stücken und es ist jemand, der gar nicht ins Freund-Feind Schema von Schimanski passt.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Legendär dieses Stück Geschichte.
mfg
keith