Sonntag, 31. Mai 2009

Das internationale Finanzkapital spuckt Linz in den Genpool

Das ORF und Chefinspektor Moritz Eisner schrieben bereits im positivsten Sinne Tatortgeschichte, zuletzt durch die Folge Der Teufel vom Berg. Ein weltgewandter Piefke in Gestalt von Ulrich Tukur meinte seine stadtgewohnte Anonymität und Großmäuligkeit auf der österreichischen Alm weiterleben zu können. Er, der Hochreiter, verkörperte damit den Rost am Schwert dörflicher Nicht-Idylle. Chefinspektor Eisner entwickelte ein ambivalentes Verhältnis zum Hochreiter, das von Verachtung und Bewunderung, Beschützerinstinkt und Verdachtsmomenten geprägt war.


Im Pfingstmontags-Tatort wiederkäute Eisner aber nun das Thema Kinderwunsch, welches schon in den Folgen Sternenkinder und Ausweglos nach allen Regeln der Fortschrittsfeindlichlichkeit "aufgearbeitet" wurde. In den vergangenen Folgen war zu erfahren, kinderwunschwütige Frauen zögerten nicht, schwangeren Gesinnungsgenossinnen das Baby direkt aus dem Bauch heraus zu schneiden und ein verzweifelter Vater tötete gar eine Leihmutter, weil sie ihr Kind zurück wollte. Der Subtext war immer der gleiche: Seid fruchtbar und mehret Euch, aber anständig! Greift in das Werk Gottes ein und Euer Weg wird mit Leichen gepflaster sein. Halleluja.

"Wer weiss denn wirklich, was die in den Kliniken da machen?"
Nachdem Splatter-Mütter und Killer-Väter abgehandelt wurden, ist der dritte Teil des Fortsetzungsromans, Kinderwunsch, den verbleibenden Protagonisten des Zusammenhangs gewidmet: der Ärzteschaft. Eine Linzer Privatklinik pflanzt empfängniswilligen Frauen, im Falle gescheiterter Befruchtungsversuche, kurzerhand ein "Kuckucksei" ein. Diese, heimlich vollzogene Tat, soll die Befruchtungs-Erfolgsraten schönen und den Wettbewerb zu Gunsten der Linzer Privatklinik verzerren. "Es ist ein privates Unternehmen und die machen natürlichen einen Riesen-Gewinn", erklärt die Inspektorin aus Linz idiotensicher. Es veranschaulicht die Tragödie ein österreichischer Bauernhof. Der wahrhaft blonde, sowie blauäugige Bauer will sein schwarzhaariges Kind nicht lieben lernen. Es schaukelt so dramatisch verödet, wie kein Kind der Filmgeschichte bislang dramatisch und verödet zu schaukeln gewagt hat.

Der Feind sitzt in Osteuropa
Zu guter Letzt stellt sich dann aber heraus - und an dieser Stelle wird Österreich sicherlich aufgeatmet haben - die wahren Übeltäter sind gar keine Österreicher. Die Linzer Klinik führte zwar die Eltern hinters Licht, aber nur, weil Finanzkapitalisten aus Osteuropa auf die Klinik Zinsdruck ausüben. Selbige entsandten auch die Mörder. Ein wutentbrannter Eisner macht der Ost-Mafia-Braut dann aber ein Strich durch die Rechung und ein Bild, wie "Notwehr auf Österreichisch" (sic!) geht: "Erster Schuss in die Wand. Zweiter Schuss in den Oberschenkel. Dritter Schuss in den Bauch". Nach Aufklärung des Falles bestätigen die Ermittler ihren österreichischen Zuschauern auch noch einmal in aller Deutlichkeit wofür sie einstehen: "Wir sind hier nicht in Polen, oder Georgien, oder sonstwo!"

Ja, wir sind in Linz, wo die Kultur reichhaltig, die Donau herrlich und die neuen Schutzwesten der Polizei super sind
Die finale Offenbarung der Hauptinspektorin aus Linz, sie selbst würde künstliche Befruchtung durchaus in Erwägung ziehen, kann nur als höhnisches Beiwerk verstanden werden, wurde doch nun ganze drei Folgen lang, auf leisen Pfoten und auch mit dem Dampfhammer, auf die angeblichen Folgerscheinungen moderner Formen familiärer Selbstbestimmung hingewiesen. Die Spannung, unter der Familien und Einzelne stehen, die sich für eine künstliche Befruchtung entscheiden, wurde erfolgreich ausgeblendet. Der Tatort Kinderwunsch zeigte weit mehr Mühe, die Sehenswürdigkeiten von Linz in peinlich verschrobenen Kameraperspektiven einzufangen und Böser-Osten Ressentiments aufzukochen, als sich mit dem Thema Selbstbestimmung junger Familien auseinanderzusetzen.

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