Samstag, 20. Februar 2010

Metropolis – Die Rehabilitation eines antisemitischen Propagandastreifens



Wenn in Deutschland ein kulturelles Großereignis ansteht, das Alt und Jung, Links und Rechts, sowie Oben und Unten hinter sich bringt, dann ist glücklich, wer sich das noch zurechtlachen kann. Bei „Metropolis“ fällt lachen aber wirklich schwer. Die Drehbuchautorin Thea von Harbou hat für ihre Arbeiten während der NS-Herrschaft stets das Prädikat "Staatspolitisch und künstlerisch wertvoll" erhalten. Goebbels wollte den Regisseur Fritz Lang zum Leiter des Deutschen Films machen, traf er doch schon mit seiner Nibelungen Saga Verfilmung exakt den Geschmack des Propagandamininsters. Lang lehnte zwar ab, aber überrascht hat ihn das Angebot sicher nicht. Auch mit „Metropolis“ haben Harbou und Lang einen Film abgeliefert, der sich perfekt in nationalsozialistische Propaganda einpassen lässt. Wenn es sich nicht gar um einen Film vor seiner Zeit handelt.

Hätte der Film „Kosmopolis“ geheißen, und handelte demnach von einer Weltstadt mit Migration, Kulturimport und von liberalem Geist, hätte der Propagandaminister sicher wenig Freude daran gehabt. Aber da „Metropolis“ – griechisch für „Mutterstadt“ – eine geschlossene Einheit darstellt, die sich wie ein einziger lebender Organismus von seiner Umgebung abgrenzt, kam das seinem Geschmack schon deutlich näher. Angelehnt an die völkischen Theorien seiner Zeit vergegenständlicht „Metropolis“ einen Volkskörper mit allen wesentlichen Organen. „Metropolis“ hat ein „Hirn“ (Johann Fredersen), „Hände“ (Arbeiter) und eine „Herzmaschine“. Das zementiert sowohl die Zusammengehörigkeit, als auch die Position der einzelnen „Organe“. Soziale Kategorien werden durch ihre Biologisierung verschleiert, und an die Stelle von Vernunft treten vermeintliche Naturgesetze. Ein Moment, dass in völkischer und später nationalsozialistischer Propaganda von zentraler Bedeutung ist.

Das Szenario

Alle in „Metropolis“ sind „Brüder“, aber es gibt Probleme. „Metropolis“ ist gespalten. „Hirn“ und „Hände“ sind nicht in Einklang, der Volkskörper zerrissen. Unter Tag schuften die Arbeiter, die Hände, an höllischen Maschinen. Johann Fredersen, das Hirn, sitzt hingegen im „Neuen Turm Babel“ und steuert den Prozess. Auf der Zwischenebene, den „Ewigen Gärten“, feiert die Bourgeoisie rauschende Feste. Nach Feierabend schleichen die Arbeiter heimlich in Katakomben, um sich Hoffnungen zu machen und Andacht zu üben. „Maria“ mixt den Armen einen Cocktail aus Bibelfersen und Esoterik, gewürzt mit dem Versprechen, der „Mittler“ (nein nicht Hitler) würde sie bald erlösen kommen.

Der Fremdkörper

Alle in „Metropolis“ sind Brüder, nur einer ist keiner: „Rotwang“. Der glubschäugige, hakennasige Wissenschaftler mit Albert-Einstein-Frise hat einen seltsamen Mantel an, der stark an einen Kaftan erinnert, einen seltsamen Stern im Labor, der – in diesem Kontext – stark an einen David-Stern erinnert und trägt nicht umsonst den seltsamen Namen „Rotwang“. Der Wissenschaftler verkörpert einen bunten Strauß an antisemitischen Klischees, die sich bis 1927 angesammelt hatten. Er lügt („die Juden und ihre Lügen“), ist rachsüchtig („Rachegott der Juden“) und bringt die Massen dazu, um ein Haar die gute „Maria“ am Quasi-Kreuz hinzurichten („Jesusmörder“). Aber auch Stereotype seiner Zeit hat Fritz Lang verarbeitet. „Rotwang“ ist sowohl der Einflüsterer von Johann Fredersen, dem Fabrikbesitzer („Hinter dem Kapital steckt der Jud“), als auch der Erschaffer einer Roboterfrau, die zur Revolution aufruft („Hinter dem Marxismus steckt der Jud“).

Die Handlung

Die Arbeiter arbeiten, die Bourgeoisie feiert und Johann Fredersen regiert hart. Der Organismus ist nicht im Gleichgewicht – es herrscht Unzufriedenheit im Volk. Die Arbeiter sind ungeduldig. Doch Lang fände es besser, sie würden weiterhin der Predigt von „Maria“ lauschen und auf den „Mittler“ (nein nicht Hitler) warten. Denn die Arbeiter haben zwar Hände, aber Hirn – das wird oft genug betont – haben sie nicht. Schließlich erscheint die Roboterfrau des zwieträchtigen „Rotwang“ in Gestalt von „Maria“. Sie ruft mit Sex-Appeal die Bourgeoisie zu dekadentem Swing-Tanz und die Arbeiter mit klassenkämpferischer Agitation zum Maschinensturm auf. Die „Herzmaschine“ wird zerstört und damit dem Organismus „Metropolis“ die Lebensgrundlage entzogen. Alles steht augenblicklich unter Wasser und die Kinder sind vom Aussterben bedroht – während die Arbeiter in der Fabrik tanzen! Unterlegt ist die falsche Revolution mit Fragmenten der französischen Nationalhymne, was Goebbels ganz besonders zugesagt haben dürfte. Schließlich bringt der Fabrikmeister die Arbeiter wieder zur Besinnung. Die revolutionäre Roboterfrau von „Rotwang“, die falsche „Maria“, wird an einen Pfahl gebunden und verbrannt.

Der „Mittler“

Von Anfang an stolpert, naiv wie Siegfried, ein Typ mit Knickerbockern durch „Metropolis“ und beweist an jeder Ecke Herz. Seinen Vater, Johann Fredersen, liebt er sowieso, in „Maria“ verliebt er sich auf den ersten Blick und vom Leid der Arbeiter zeigt er sich auch ganz ergriffen. Stunden vergehen bis der Gefühlshammel endlich jemanden gefunden hat, den er nicht leiden kann: „Rotwang“. Nach einem atemberaubenden Kampf fällt der Jud vom Dach.[1] „Metropolis“ sieht dabei zu und fiebert mit. Hurra! In der Schluss-Sequenz bringt er dann „Hirn“ und „Hände“ wieder zusammen. Der Fabrikmeister entschuldigt sich, im Namen der Arbeiter, für ihren Aufstand. Johann Fredersen zeigt sich ebenso verständnisvoll. Er, der „Mittler“ (nein nicht Hitler), steht in ihrer Mitte und hilft beim Händchen-Halten. Der Volkskörper ist wieder geeint. Der Vorhang fällt. Deutschland klatscht.

[1] Dennoch hat der Schauspieler, Rudolf Klein-Rogge, den Sturz überlebt und konnte in Filmen wie "Der Zigeunerbaron" oder "Der Judas von Tirol" weiterhin überzeugen.

1 Kommentar:

Martin hat gesagt…

Sehr schön, herzlichen Dank für diese Filmkritik. Ich sah "Metropolis" gestern zum ersten Mal im Kino und fand diese Sauce aus Kitsch, Antisemitismus und ideologischem Quatsch kaum zu ertragen. Ihre Kritik bringt die Dinge auf den Punkt, die bei mir ein extrem unangenehmes Gefühl hinterließen - gilt dieser Film doch schließlich gemeinhin als Meisterwerk und nicht etwa als das Machwerk, als das ich ihn empfand.